Nach Unfällen im Straßenverkehr scheitert die vollständige Durchsetzung von Ansprüchen des Geschädigten häufig daran, dass dieser die alleinige Unfallverursachung des Unfallgegners (z. B. mangels Zeugen) nicht beweisen kann. Abhilfe könnte hier der Einsatz einer Minikamera im eigenen Fahrzeug (sogenannte Dashcam) schaffen.
Dies dachte sich auch ein Geschädigter, der in Magdeburg beim Linksabbiegen auf einer von zwei nebeneinander verlaufenden Linksabbiegespuren seitlich mit einem anderen Kraftfahrzeug kollidierte. Der Geschädigte hatte die Fahrt vor der Kollision und die Kollision selbst durch eine in seinem Fahrzeug angebrachte Dashcam aufgezeichnet.
Nachdem das Amtsgericht unter Verweis auf die Unaufklärbarkeit des Unfallhergangs und der Tatsache, welcher Unfallbeteiligte tatsächlich in die Fahrspur des anderen gefahren ist, dem Geschädigten nur 50% seines Schadens zugesprochen hatte, verfolgte der Geschädigte mit seiner Berufung zum Landgericht Magdeburg die Geltendmachung auch der restlichen 50% seines Schadens weiter.
Das Landgericht Magdeburg wies die Berufung des Geschädigten mit der Begründung zurück, die Aufzeichnung des Unfallhergangs durch die Dashcam in seinem Fahrzeug verstoße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen und sei daher nicht als Beweis verwertbar.
Auf die Revision des Geschädigten hat der Bundesgerichtshof nun mit seinem Urteil vom 15.05.2018 (Az. XI ZR 233/17) zwar entschieden, dass die vom Geschädigten vorgelegte Videoaufzeichnung gegen die geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstößt und daher unzulässig ist.
Trotzdem sei die Dashcam-Aufzeichnung als Beweismittel im Schadensersatzprozess verwertbar.
Grundsätzlich müsse über die Frage der Verwertbarkeit einer solchen Videoaufzeichnung aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den Umständen des Einzelfalls entschieden werden. Hierbei sei das Interesse des Geschädigten an der Durchsetzung seiner Schadensersatzansprüche, sein grundgesetzlich geschützter Anspruch auf rechtliches Gehör und effektiven Rechtschutz sowie das Interesse der Allgemeinheit an einer funktionierenden Zivilrechtspflege gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Unfallgegners (Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Recht am eigenen Bild) abzuwägen.
Zu Gunsten des Geschädigten sei zu berücksichtigen, dass sich der Unfallgegner freiwillig in den öffentlichen Straßenraum begeben und sich durch seine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung durch andere Verkehrsteilnehmer ausgesetzt habe. Durch die Dashcam sei zudem nur ein Unfallhergang auf einer öffentlichen Straße aufgezeichnet worden, der für sämtliche anderen Verkehrsteilnehmer am Ort des Geschehens ebenfalls wahrnehmbar gewesen sei. Zudem sei auch die typische Beweisnot eines Geschädigten nach einem Verkehrsunfall zu berücksichtigen, der sich typischer Weise regelmäßig besonders schnell ereigne.
Zudem sei ein Unfallbeteiligter bereits nach § 142 StGB (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) verpflichtet, nach einem Unfall die Feststellung seiner Person und der Art seiner Beteiligung am betreffenden Unfall durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt war, zu ermöglichen. Ein Unfallbeteiligter hat auf Verlangen eines anderen Unfallbeteiligten seinen Namen, seine Anschrift und seine Fahrzeughaftpflichtversicherung anzugeben sowie den Führerschein und den Fahrzeugschein vorzuweisen.
Der Bundesgerichtshof hat den Rechtsstreit an das Landgericht Magdeburg zurückverwiesen, welches nunmehr unter Berücksichtigung der Dashcam-Aufzeichnung im Fahrzeug des Geschädigten entscheiden muss.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs dürfte in Zukunft zu mehr Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit in zivilrechtlichen Unfallhaftpflichtprozessen führen.